Circular Berlin bereitet die Serie von Interviews in englischer und deutscher Sprache mit den Praktikern des Themas Circular Economy im Bausektor vor, um mit ihnen die Erkenntnisse der Circular Economy zu erkunden.
restado schafft einen Markt für übrige und wiedergewonnene Baustoffe. Das Green Impact Startup gehört zu den Top 100 Global ConTech Startups und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet für seinen Einsatz für eine ressourceneffizienten Bauwirtschaft. Jeder vermittelte Baustoff schützt die Umwelt, in dem Baustoffretter auf restado ihm ein neues Leben schenken.
Wenn wir über die Circular Economy in der Bauwirtschaft sprechen, wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Die Bauwirtschaft ist einer größten Umweltsünder. Global ist die Bauwirtschaft für über 50% des globalen Müllaufkommens, 40% Ressourcenausbeutung und 25% Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das liegt vor allem an dem linearen Wirtschaftsprozess, der auf der einen Seite immense Mengen natürlicher Ressourcen für die Produktion von Baustoffen verschlingt und nach der Nutzung abreißt und deponiert. Dabei werden bereits 10-15% der Bauprodukte vor dem Einbau ungenutzt weggeworfen.
Um diesem ökologischen Problem etwas entgegenzusetzen müssen wir Kreisläufe der Wiedernutzung schaffen, in denen anfallende Baustoffe direkt für neue Gebäude nutzbar werden. Eine Circular Economy für die Bau- und Immobilienwirtschaft. restado ist ein Teil dieser zirkulären Wertschöpfung. Durch die Vermittlung von Baustoffen über restado vermeiden wir Müll, Ressourcenausbeutung und Emissionen und verlängern den Lebenszyklus eines Baustoffs auf ein Maximum. Der Markt ist die Grundlage und der größte Hebel für eine erfolgreiche Wiedernutzung. Dabei setzen wir auf intelligentes Matching zwischen Bedarf und Nachfrage und arbeiten an Prozessen für einen werterhaltenden Rückbau von Bestandsgebäuden.
Mit welchen Hindernissen haben Sie damit zu kämpfen und was ist heute schon möglich?
Unser Marktplatz funktioniert sehr gut und wird von mehr als 80.000 Nutzern pro Jahr für den Kauf und Verkauf von Baustoffen verwendet. Einen Großteil des Angebots stellen inzwischen gewerbliche Anbieter wie Baubetriebe, Baustoffhändler oder Rückbau-Unternehmen. Genutzt wird das Angebot heute noch von vielen privaten Bauherren und Heimwerkern. In Zukunft sollen auch verstärkt Projektentwickler und Planer mit den wiedergewonnenen Baustoffen Bauprojekte umsetzen. Hier sehen wir aktuell noch organisatorische und rechtliche Hürden.
Wer aktuell ein neues, dekonstruierbares Haus mit Nutzung von wiedergewonnenem und wiederverwendbarem Baumaterial plant oder wer ein bestehendes Gebäude rückbauen möchte und die enthaltenen Material für die Wiedernutzung gewinnen möchte, der startet ohne Erfahrungswerte, ohne Überblick über die notwendigen Akteure und ohne definierten Prozess. Er steht vor den Herausforderungen wie der Beschaffung, der Kostenkalkulation, der Re-Zertifizierung, der Gewährleistung im Schadensfall, der Logistik und Zwischenlagerung von Baustoffen, dem Finden williger Unternehmen und des übergreifenden Projektmanagements. Diese Prozesse digital bestmöglich zu unterstützen und Wiederverwendung zu ermöglichen – daran arbeiten wir.
In anderen Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Frankreich oder Dänemark ist man hier schon durchaus weiter. Wir gehen davon aus, dass durch den kommenden Circular Economy Action Plan der EU sich auch in Deutschland Quoten für die Wiedernutzung von Baustoffen sowie Veränderungen bei der Regelung der Gewährleistung ergeben, die uns befähigen mit unseren europäischen Nachbarn gleichzuziehen.
Hat die COVID-Situation Ihre Arbeit verändert? Welche Auswirkungen sehen Sie damit auf die “Circular Economy” Entwicklung?
Wir sehen uns als digitales Startup mit weniger Herausforderungen konfrontiert, als das sicher anderen Unternehmen geht. Daher helfen wir anderen, wo es geht, besser durch die Krise zu kommen. Durch COVID-19 sind beispielsweise viele Zulieferketten gestört und das betrifft insbesondere die Baubranche und den Nachschub an Baumaterial, denn trotz Krise wird gebaut. Hier können wir als Plattform helfen, indem wir die in Materiallagern verstaubenden Baustoffe anbieten und so kurzfristig Versorgungslücken zu schließen. Bauunternehmen und Handwerker nehmen dieses Angebot zunehmend wahr. Das spiegelt sich auch in deutlich gestiegenen Nutzerzahlen wieder. Wir arbeiten seitdem unter Hochdruck daran, die Nachfrage nach Baumaterial zu bedienen und die Krise für die Baubetriebe etwas abzufedern. Zudem stellen wir die digitale Plattform auf Anfrage auch einzelnen Gruppen oder Baubänden als internen Marktplatz zur Verfügung.
Wir hoffen – wie alle – dass wir dieser Krise am Ende neue Erkenntnisse abgewinnen können, wie wir unsere Gesellschaft und ihre Umwelt besser schützen können. Wenn die bisherige Wirtschaftsweise an ihre Grenzen kommt, was sie in Bezug auf natürliche Ressourcen definitiv wird, wie heute schon beim Bausand, müssen wir uns spätestens die Frage stellen, wie das Ganze auch anders funktionieren kann. Angefangen mit Circular Economy in der Bauwirtschaft, wodurch wir ungenutzte Gebäude dekonstruieren und die wiedergewonnenen Materialien für neue Gebäude wiederverwenden könnten, anstatt auf Produktion und Lieferketten angewiesen zu sein. Wir haben heute einen riesigen Gebäudebestand. Etwa 55% aller Materialien in Deutschland sind hier gebunden. Diesen Schatz zu heben, Urban Mining zu betreiben, ist sicher eine der Herausforderungen, die uns nach der Krise begleiten werden.
Kontakt:
Julius Schäufele